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Kulturwissenschaftliche Fakultät

Facheinheit Sozial- und Kulturanthropologie

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liebelt_Olfaktorien der Hygiene de

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Förderung: DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft

Laufzeit: April bis Dezember 2020 im Rahmen des Heisenberg-Projektes "Geschlecht, Körper, Schönheit: Transnationale Formierungen des Selbst"

Projektleitung: PD Dr. Claudia Liebelt

Kurzbeschreibung:

Ausgehend von einer Untersuchung über den Gebrauch von und Umgang mit Hand­desinfek­tionsmitteln während der Coronavirus-Pandemie in der Türkei und in Deutschland fragt das Forschungsvorhaben nach den sozialen, kulturellen und affektiven Konfigurationen von Des­infektion, Körperhygiene und Geruch. Mithilfe einer Internet-basierten Umfrage, virtueller Ethnograpie (Video-Interviews, teilnehmende Beobachtung in sozialen Medien) und dem Erstel­len von Tagebuchnotizen durch ausgewählte Forschungsteilnehmer_innen will das For­schungsvorhaben zu kon­zeptionellen Debatten in der Anthropologie der Sinne und den Wis­senschafts- und Technolo­giestudien beitragen: Gehört der post-Pasteurianismus (vgl. Paxson 2008) mit Ausbruch der Corona-Pandemie der Vergangenheit an? Wie riecht Hygiene? Und an was erinnern uns bestimmte, mit Hygiene verknüpfte Gerüche? Was verbinden wir mit Sauberkeit und Desinfektion? Das Forschungsprojekt will ein tiefergehendes Verständnis über die körperlich-sensu­ellen und alltagshygienischen Veränderungen im Zuge verschiede­ner Maßnahmen zur Ein­dämmung des Coronavirus ermöglichen.

Hintergrund und Relevanz

Mit der weltweiten Verbreitung des Coronavirus haben Praktiken der Körperhygiene, Sauber­keit und Desinfektion vielerorts eine neue Bedeutung erlangt und sich in ihrem alltäglichen Gebrauch verändert. Während medizinische Handdesinfektionsmittel vielerorts schnell aus­verkauft waren, wird alkoholbasiertes, parfümiertes Eau de Cologne derzeit aufgrund seiner desinfizierenden Wirkung insbesondere in der Türkei wiederentdeckt. So avancierte das bisher mit Gastfreundlichkeit verknüpfte und in bestimmten sozialen Situationen gereichte kolonya zum Symbol für Hygiene, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Traditionsbewusstsein. Nach Regierungsangaben erhalten seit Anfang April Millionen über 65-jährige Bürgerinnen und Bürger Eau de Cologne als Teil eines Corona Notfall-Paketes. Die Produktionszahlen und die Preise von kolonya stiegen seit Beginn der Corona-Krise um ein Vielfaches an. In Deutschland hingegen ist der Gebrauch von Kölnisch Wasser in den letzten Jahren stark zurück gegangen und sein Geruch wird mit älteren Generationen verknüpft. Die in größeren Einkaufsstätten und Behörden zunehmend zur Verfügung gestellten Desinfektionsmittel sind in der Regel nicht parfümiert, sondern riechen nach ihren Alkohol- oder Chlorhaltigen Inhaltsstoffen. 

Das Forschungsprojekt tritt mit dem Vorhaben an, Alltagspraktiken der Körperhygiene und die mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln zusammenhängenden multi-sensoriellen Bedeutun­gen in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs tiefergreifend zu untersuchen. Mithilfe wel­cher kul­tureller Alltagspraktiken werden körperbezogene Sauberkeit und Hygiene hergestellt (oder auch nicht)? Inwieweit haben sich diese Praktiken im Zuge der Corona-Eindämmungs­maßnahmen verändert? Welche Gefühlsstrukturen, Bedeutungszuschreibungen und welche Arten von Geruch sind mit Hygiene und Sauberkeit verknüpft? Was sind die materiellen und immateriellen Effekte von Desinfektionspraktiken? Inwieweit hängen die Olfaktorien der Hygiene mit intersektionellen Kategorisierungen wie Alter, Klasse, Geschlecht oder Ethnizität zusammen? Welche Politiken der Desinfektion lassen sich in Deutschland und der Türkei beobachten und mit welchen olfaktorischen Praktiken sind sie verknüpft? Das Projekt verspricht nicht nur zur wissen­schaftlichen Debatte, sondern auch zu einem tieferen gesellschaftspolitischen Verständnis körperhygienischer Alltagspraktiken beizutragen.

Referenzen

Heather Paxson 2008. 'Post-Pasteurian Cultures: The Microbiopolitics of Raw-Milk Cheese in the United States.' Cultural Anthropology, 23(1): 15–47.

Besuchen Sie unser Forschungsblog unter https://culthygiene.hypotheses.org/


Verantwortlich für die Redaktion: PD Dr. Claudia Liebelt

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