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Kulturwissenschaftliche Fakultät

Facheinheit Sozial- und Kulturanthropologie

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Dynamische Vorstellungswelten im Lernprozess Migration: Wissen und Kommunikation junger städtischer Migrantinnen und Migranten aus Eritrea und Äthiopien

Förderung: Freistaat Bayern im Rahmen des Forschungsverbundes Migration und Wissen

Laufzeit: 2009-2012

Projektleitung: Prof. Dr. Kurth Beck und Dr. Magnus Treiber

Mitarbeiterin: Délia Nicoué

Kurzbeschreibung:

Das Projekt beruht auf der grundsätzlichen wissenssoziologischen Überlegung, dass autobiographisches Erzählen dem Prozess prägender Erfahrungen unterliegt und notwendig selektiv, überlagernd und evaluierend vorgeht. Wissen und damit verbundene Vorstellungswelten sind einem  dynamischen Metabolismus unterworfen; gemachte Erfahrungen setzen sich im Habitus ab, wo sie Reflexion, Handlungsüberlegungen und auch körperlich-habituelles Wissen befördern. Auch die Migration betrachten wir daher als einen dynamischen Lernprozess. In diese Transformationen von Wissen und Vorstellungswelten wollen wir Einblicke erhalten und daran anschließend schwer nachvollziehbares Handeln im Ankunftsland zugänglich und verstehbar machen. Um diesen Ansatz in der Migrationsforschung umzusetzen bedarf es umfassender Kenntnisse der Lebenswelt in Herkunftsland und –milieu sowie in wichtigen Zwischenstationen der Migration.

Deutlicher als früher scheinen in heutigen ethnologischen Arbeiten zur Migration individuelle Akteure auf, die zwar kulturelle und soziale Kategorien und Ressourcen strategisch nutzbar zu machen suchen, aber nicht unbedingt mehr auf diese reduzierbar sind. Forschungen, die Herkunft, Weg, Ankunft und Rückbindungen zu umfassen versuchen, bleiben indes rar, so dass auch Lernprozess und Wissensvermittlung in der Migration wissenschaftlich noch nicht erschöpfend beleuchtet sind. Unsere Forschung will am Beispiel der ostafrikanischen Herkunftsregion Eritrea und eingeschränkt auch Äthiopien Möglichkeiten und Erkenntnisse einer solchen Herangehensweise aufzeigen.

Die afrikanischen Staaten Eritrea und Äthiopien, die seit dem Zusammenbruch der äthiopischen Derg-Diktatur 1991 von einander feindlich gesinnten, autoritären Post-Guerilla-Regierungen beherrscht werden, sind erneut zu Auswanderungsländern geworden. Junge, gebildete oder bildungswillige Städter (ca. 18-35 J.) nehmen oft jahrelange und lebensgefährliche Migrationen auf sich, um in Europa eine neue Existenz aufzubauen. Hierbei hoffen sie nicht nur auf wirtschaftlichen Wohlstand, sondern auch auf Rechtstaatlichkeit und demokratische Teilhabe. Ihr schrittweises und selten privilegiertes Durchlaufen verschiedener Migrationsetappen und örtlicher Stationen macht sie hierbei notwendigerweise zu Lernenden, die sich einerseits in fremden Umgebungen zurechtfinden müssen und andererseits bereits Schritte in die nächste Migrationsetappe planen und prüfen. Ihre Vorstellungswelten und Einschätzungen neuer Umgebungen speisen sich aus dort vermittelten Informationen, Gerüchten und eigenen sozialen Erfahrungen vor Ort. Doch auch angewachsenes Vorwissen wird an die jeweils neue Umgebung wie an die geplante Migrationsroute herangetragen. Vorwissen wird zum einen aus Schulbildung und Medienrezeption gewonnen, zum anderen durch Teilnahme an transnationalen, fluiden migrantischen Kommunikationsmilieus. Diese verbinden Menschen dank moderner Kommunikationstechnologie in verschiedenen Etappen, Stationen und Situationen miteinander – vom Herkunftsort bis zu vorläufiger Ankunft oder gar langjähriger Diaspora-Zugehörigkeit. Migrationsspezifisches Wissen umfasst hierbei Informationen zu sicheren Schlafplätzen ebenso wie Ratschläge zum örtlichen Umgang mit Polizei, Botschaftspersonal oder Schleppern, Optionen der legalen und illegalen Weiterreise ebenso wie das kompetente Verfassen von Studienplatzbewerbungen für europäische und nordamerikanische Universitäten. Dieses Wissen ist jedoch kein absolutes, sondern muss immer wieder aufs Neue generiert, geprüft, reflektiert, interpretiert und u. U. vertrauensvoll diskutiert werden. Deutlich vorgezeichnete ‚Blaupausen’ erfolgreicher Lebenskarrieren fehlen. Gerade aufgrund ihrer Prekarität und Gefährdung sind migrantische Akteure in besonderer Weise zu bewussten Handlungsentscheidungen. Durch zunehmende Einsicht in Beschränkungen und Ausschluss allerdings geht der migrantische Lernprozeß meist mit wachsender Desillusionierung einher, Motivationen und Vorstellungswelten unterliegen dieser Dynamik. Erfahrungen und Wissen um den jeweiligen ortsspezifischen migrantischen Alltag sowie im größeren Prozess der Wanderung setzen sich habituell ab. Kommunikation, Wandel und Anwendung migrantischen Wissens zwischen konkreter Örtlichkeit und Anbindung an transnationale Netzwerke sollen unter Migrantinnen und Migranten der jüngeren Generation in ausgewählten, einschlägigen Migrationsstationen (Khartoum, Istanbul, Mailand) sowie unter Neuankömmlingen der letzten Jahre in Bayern beispielhaft untersucht werden.


Verantwortlich für die Redaktion: Nadja Bscherer

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